Alte frau mit dicken titten
Es kommt gelegentlich vor, dass Magazine einem tatsächlich etwas lehren. Beim Versuch, es mir diese Woche leicht zu machen und etwas Belangloses aus dem Regal zu greifen, habe ich danebengegriffen und weiß nun deutlich mehr über die weibliche Menopause, als ich jemals wissen wollte.
Ich bin sogar im Bilde, dass auch Männer eine Art Klimakterium erleben können, und jetzt, da ich das weiß, bekomme ich es garantiert. Danke, Schicksal! Und danke, "Illu No. 1 – Meine Nummer eins!"
Ich vermutete am Kiosk, die "Illu No. 1" sei eine unattraktive Wochenzeitschrift für Damen, die mehr Schwierigkeiten auf ihr Cover packen kann, als Donald Trump sich in der Woche selbst zusammenzimmert.
Auf dem Titelbild ist eine junge Frau zu sehen, die lächelt. Drumherum sind Slogans wie: "Abnehmen im Schlaf", "Mit simplen Kniffen zum fantastischen Dekolleté", "Wie finde ich den passenden Therapeuten", "Gelassen durch die Wechseljahre" und "18 Haarschnitte, die sofort zehn Jahre verjüngen".
Meine Reaktion erfolgte jedoch auf "Dieser Sex hat mein Leben transformiert", da ich ja keine übergewichtige, zehn Jahre zu alte Frau mit einem suboptimalen Busen und seelischen Problemen bin. Nun ja, zumindest eine Frau bin ich nicht.
Die Rubrik
Michalis Pantelouris ist ein Journalist, der an zahlreichen Magazin-Neuerfindungen und -Überarbeitungen beteiligt war.
Er frequentiert jede Woche für uns den Bahnhofskiosk, um Zeitschriften zu erkunden.
Ich hatte mich ein bisschen getäuscht beim ersten Blick; „Illu No. 1“ ist keine hässliche Wochenzeitschrift, sie sieht nur so aus. In Wahrheit erscheint sie alle zwei Monate. Ich halte das für ein Problem. Ich hätte darauf kommen können wegen der Bindung, denn „Illu No.
1“ ist gelumbeckt, wie das im Gewerbe heißt: Ihr Rücken ist geklebt und breit, wie ein dünner Buchrücken, und nicht geklammert, wie Wochenmagazine es regelmäßig sind. Lumback ist edler und für ein Zweimonatsheft viel angemessener, aber es gibt gelernte optische Codes für Genres, und ich halte es für einen riesigen Fehler, optisch im falschen Genre eingeordnet zu sein.
Erinnert sich noch jemand an die deutsche Ausgabe von „Vanity Fair“? Das war ein Riesenflop, aber auch eine grandios unterbewertete Zeitschrift, die mehr Erfolg verdient gehabt hätte – sie war aber eine Wochenzeitschrift, die daherkam wie ein Monatsmagazin. Sie sah aus, als könnte man sie in einer Woche gar nicht durcharbeiten.
Im Gegensatz dazu sieht „Illu No.
1“ aus, als könnte nur Unfug drinstehen, den man schnell wieder vergisst, bevor man die Zeitschrift wegwirft. Doch das stimmt nicht. Dieses Wechseljahrzeug wird mir für immer bleiben, fürchte ich (und ganz leicht off topic: Das einzige, was man meiner Meinung nach tun könnte, um die „Zeit“ noch erfolgreicher zu machen, wäre, einen Weg zu finden, dass sie einen nicht so vorwurfsvoll anguckt, wenn man sie nach vier Wochen nahezu ungelesen ins Altpapier tut, weil sich schon drei neuere neben ihr stapeln.
Sowas führt zu Abo-Kündigungen).
„Illu No. 1“ ist eine Zeitschrift für Frauen, die das Gegenteil sind von dem glücklich lächelnden, schlanken, jungen Model auf dem Titelblatt. Sie ist für alte Frauen mit Problemen, und schon wenn man den Satz schreibt, verliebt man sich ein bisschen in die Zielgruppe, oder?
Ich würde wahnsinnig gern eine Zeitschrift lesen, die als Unterzeile hat „Für alte Frauen mit Problemen“ (mein Arbeitstitel wäre „Marple“). Man ahnt, das „Illu No.1“ anders funktioniert, nämlich als Magazin für alte Frauen mit Problemen, die unbedingt die Fassade einer glücklichen Existenz samt perfektem Busen aufrechterhalten möchten.
Ja, drinnen im Heft ist der Busen nicht mehr nur „toll“, die Geschichte heißt: „Wie bekomme ich einen perfekten Busen?“ (Nachdem ich alles gelesen habe, glaube ich, die ehrliche Antwort ist: durch eine Brust-Operation.) Die erste Geschichte im Heft, in der Rubrik „Frauen wie wir“, zeigt auf sechs verwirrend gestalteten Seiten nichts als Promi-Paare, bei denen die Frau älter ist als der Mann.
Alle anderen Geschichten im Heft handeln von älteren bis alten Frauen, meist prominenten, die nach Schicksalsschlägen jetzt aber echt wieder total glücklich sind. Dann gibt es noch Mode, die Problemzonen gut kaschiert. Und jetzt bräuchte ich eine elegante Überleitung, die nicht im Kern so geht: Die können einem aber leidtun, diese alten Frauen, die mit ihren unperfekten Busen zum Therapeuten laufen oder zum Chirurgen, oder wahrscheinlich letztlich zu beiden.
Aber da wird man sauer, denn sie tun einem ja wirklich leid.
Es gibt ein Alter, da werden Frauen unsichtbar. Männer starten mit diesem riesigen Rückstand im Leben, unreif und kindisch, wegen dem sie lange alles Mögliche tun zu müssen glauben, um Frauen zu beeindrucken.
Aber irgendwann in diesem Marathonleben holen sie auf, und nach hinten raus werden die Frauen plötzlich alt und muttiförmig und unsichtbar, während die Männer es noch eine Weile selbst in der Hand haben. Diese ganzen sechs Seiten von Frauen mit jüngeren Männern stehen nur da, weil das eben immer noch eher die Ausnahme als die Regel ist.
„Frauen wie wir“ – my ass! Und jetzt kommt statt einer dämlichen Überleitung die Frage: Warum können wir nicht Magazine machen, die solche offensichtlich echten Probleme ehrlich und authentisch behandeln, anstatt das mit einer wochenzeitungstrashförmigen Glückseligkeitssoße zu übergießen?
Ich bin kein Experte für Frauenzeitschriften und ich glaube, es gibt einige, die das besser machen.
Ich hoffe es zumindest ganz doll. In einer alternden Gesellschaft das überkommene Bild aufrecht zu erhalten, Frauen in den Wechseljahren und jenseits davon bräuchten einen perfekten Busen oder könnten ihn haben oder würden mit ihm einen jüngeren Mann aufreißen, was wiederum gleichzeitig als begehrenswert und normal verkauft wird, halte ich für aberwitzig.
Und nur nebenbei: Ich mag Busen sehr gerne, aber perfekte Busen haben auch jüngere Frauen meiner Erfahrung nach nicht*, und ich kann nur für mich sprechen, aber das ist meiner ganz privaten Meinung nach auch nicht das ausschlaggebende Kriterium, nicht einmal bei den jüngeren Männern mit den älteren Frauen.
Ich habe zwei Töchter, die ältere davon in der Pubertät, und bei uns zuhause fliegen eine Menge Zeitschriften rum, von denen sie nicht alle angucken müssen, aber ich habe glaube ich noch keine so versteckt wie diese nervige „Illu No. 1“, die ihnen eigentlich einbläut, wenn sie mit 25 noch keinen Doktor haben, müssen sie ihn am Ende selber machen.
Ich bin ein bisschen aufgebracht, ich nehme an, man merkt das.
Dabei ist nicht die ganze „Illu No.1“ doof.
Es gibt Geschichten über Neuanfänge „in der Mitte des Lebens“, und das mit dem „Sex, der mein Leben verändert“ hat, ist an Stellen überraschend und bedrückend, weil es dabei nicht nur um das Erwartbare, sondern auch um schlimme Erfahrungen wie Nötigungen und Vergewaltigungen geht, womit ich nicht gerechnet hätte.
Vielleicht bin ich auch wahnsinnig ungerecht und es gibt viele Leserinnen, denen es total gut tut, über Probleme aus der Sicht des Überstandenhabens zu lesen, wir werden das erkennen, wenn es „Illu No.1“ in zwei Jahren noch gibt (wenn ich es richtig verstehe, ist meine erst die vierte Ausgabe; auf dem Titel ist noch ein Störer mit dem Hinweis „Neu“).
Ich fände es bloß noch schöner, wenn meine Branche in der Lage wäre, ihre nach wie vor schönste und intimste Form, das Printmagazin, zu nutzen, um Menschen ehrlich zu berühren und ihnen nicht nur Fassaden anzumalen.
Ist vielleicht jemand interessiert an „Marple“?
„Illu No. 1“
Alles Gute Verlag Ltd.
2,80 Euro
*) Okay, eine Ausnahme. You know who you are.